1. Mai: Wir kriegen nur, wofür wir kämpfen

Nach zwei Jahren pandemiebedingter Absagen, wird es in diesem Jahr wieder die traditionelle Gewerkschaftsdemonstration am 1. Mai geben.

Gemeinsam mit anderen Initiativen mobilisieren wir zur Teilnahme und werben unter dem Motto „Alle gegen Alle? Nicht mit uns!“ für einen antikapitalistischen Block. Der Aufruf dazu findet sich hier.

Geht mit uns auf die Straße für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und für eine Zukunft, in der Ausbeutung und Unterdrückung der Vergangenheit angehören!

 

Unser Beitrag:

Wir kriegen nur, wofür wir kämpfen!

Chicago, 1886: eine bereits seit Jahren aktive Arbeiterbewegung mobilisiert für den ersten Mai zu einem mehrtägigen Streik. Ziel ist die Einführung des 8-Stunden Tags. Zehntausende beteiligen sich, dabei werden am 3. Mai sechs Arbeiter erschossen. Am 4. Mai explodiert auf einer Kundgebung eine Bombe die 18 Menschen in den Tod reißt. Die Polizei eröffnet daraufhin das Feuer und weitere Streikende sterben.

Obwohl unklar ist, wer die Bombe zündete, wurden acht Arbeiter und Organisatoren des Streiks für schuldig befunden und sieben davon zum Tode verurteilt. Bei allen Verurteilten handelte es sich um überzeugte Anarchisten und vorallem diese Haltung wurde ihnen zum Verhängnis. Diese Ereignisse, die als Haymarket Riot in die Geschichte eingingen, waren die Geburt des 1. Mai als internationalem Kampftag der Arbeiter*innenklasse.

Aktuell erleben wir eine Explosion der Lebenshaltungskosten. Energie, Lebensmittel, Mieten: die Preise gehen weiter steil nach oben. Durch Klimakrise, Pandemie und Krieg verschärft sich die Situation und entwickelt eine bedrohliche Dynamik.

Das obere 1 Prozent hält rund 18 Prozent des gesamten Vermögens – so viel wie die ärmsten 75 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zusammen. Die realen Löhne und damit die Kaufkraft sinken und wir sollen den Gürtel enger schnallen?

In unserer gewerkschaftlichen Arbeit erleben wir die Auswirkungen einer zunehmenden Prekarisierung der Arbeitswelt. Vor allem in den Bereichen, die ohnehin schon als Niedriglohnsektoren gelten. Es ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten, mit welchen Maßnahmen windige Chefs und Unternehmen Arbeiter*innen selbst um gesetzliche Mindeststandards bringen.

Das sind keine Ausnahmen, dahinter steckt System und allein hierzulande sind Millionen betroffen. Wenn wir dies als nackte Ausbeutung, Betrug und Entwürdigung bezeichnen, ist das nicht übertrieben.

Immer wieder sind es vor allem Migrant*innen, die sich in miesesten und oft irregulären Arbeitsverhältnissen verdingen müssen. Gerade in Teilen der Dienstleistungsbranche und der so genannten Plattformökonomie herrschen Bedingungen, die an frühkapitalistische Zeiten erinnern.

Bereits jetzt reiben sich Kapitalist*innen vor dem Hintergrund der hier ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine die Hände und sehen diese als Zustrom billiger Arbeitskräfte ohne anderen Ausweg. So das Unternehmen Tönnies beispielsweise, das direkt an der polnischen Grenze Flyer an Geflüchtete verteilte und mit Anstellung in seinen Fleischfabriken warb.

Gegen diese zynischen Verhältnisse müssen wir uns wehren.

Erfreulich sind die vielen kleinen Organisationsbemühungen, die auch immer öfter in kollektiven Kämpfen ihren Ausdruck finden. Basisgewerkschaften wie die FAU sind oft Teil dieser Konflikte. Sei es in unterstützender Form oder durch die eigene Betroffenheit ihrer Mitglieder. Beispielhaft seien hier die Streiks der Erntearbeiter*innen in Bornheim 2020 genannt oder die in vielen Städten laufenden Konflikte so genannter Rider, welche sich als Fahrradkurier*innen unter miesen Arbeitsbedingungen und für mageren Lohn die Rücken kaputt strampeln.

Wir müssen intervenieren, wo neue Beschäftigungsbereiche entstehen, in denen mit intensivster Ausbeutung zu rechnen ist. Doch es reicht nicht mit anderen solidarisch zu sein und diese zu unterstützen. Es ist wichtig, dass wir uns selbst und in allen Sektoren organisieren und diesen Entwicklungen aktiv entgegentreten.

Denn wir alle sind Teil dieses Räderwerks sind, dass die Maschinerie tagtäglich am Laufen hält. Und wir können der Schraubenschlüssel im Getriebe sein, der das alles zum Stillstand bringt. Wir müssen den eigenen Arbeitsplatz nicht nur als Ort individueller Einkommensquelle betrachten, sondern als einen möglichen Ausgangspunkt für gesellschaftliche Veränderung.

Wenn wir also ernsthaft mehr wollen, als uns immer nur gegen die schlimmsten Symptome des Kapitalismus zu wehren, sondern die herrschenden Zustände und sozialen Probleme überwinden und lösen wollen, müssen wir uns den damit einhergehenden Herausforderungen stellen.

Der herrschenden Ausbeutung, Zerstörung und Unterdrückung von Mensch und Natur stellen wir eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gegenüber, die auf Solidarität und Selbstverwaltung basiert. In der Freiheit und Gleichheit keine Lippenbekenntnisse, sondern Grundlagen des Zusammenlebens sind und alle Menschen ein gutes Leben führen können. Geschuldet der Komplexität der global-vernetzen Produktionsketten, setzt dies ein Höchstmaß an Organisation in allen Arbeits- und Lebensbereichen und über alle Grenzen hinweg voraus.

Geschenkt bekommen wir das alles nicht. Es verlangt Ausdauer und die Bereitschaft am Aufbau einer sozialen Arbeiter*innenbewegung mitzuwirken, die an den Wurzeln des kapitalistischen Systems ansetzt. Die sich immer wieder auch kleinen Konflikte, ob bei der Arbeit, um Miete oder Lebensmittelkosten annimmt ohne die Perspektive auf eine bessere Welt aus den Augen zu verlieren.

Für uns ist der 1. Mai kein Relikt der Vergangenheit. Im Gegenteil: die Kämpfe für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen sind so nötig wie eh und je. Und auch die Perspektive einer Welt, in der Ausbeutung und Armut der Geschichte angehören, lebt in unseren Kämpfen fort. Wenn uns der 1. Mai eines lehrt, dann ist das die Tatsache, dass wir nur das kriegen, wofür wir uns gemeinsam organisieren und kämpfen. Und zwar täglich.

FAU Sektion Aschaffenburg